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Alle Blumen beachten - Guardare tutti i Fiori

Rückblick auf ein bedeutendes Ereignis an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck.

Katholiken und Reformierte, Muslime und Marxisten im Gespräch.


Innsbruck 9. - 11. Sept 2021
„Alle Blumen (be)achten“ ist ein ungewöhnlicher Titel für eine theologische Fachtagung und noch dazu an einem so renommierten Ort wie die Innsbrucker Theologische Fakultät, die Insider mit einem Namen identifizieren, der keinen Zweifel lässt: Karl Rahner. Der große Jesuitentheologe lehrte hier seit Ende der 1930er Jahre, bevor er mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus in Österreich von der Lehrtätigkeit suspendiert wurde. Nach dem Krieg nahm er seine Arbeit in Forschung und Lehre wieder auf und dozierte u.a. an den Universitäten München und Münster. Natürlich kann man den inhaltlichen und methodischen Ansatz der Innsbrucker Tagung nicht mit der Theologie vergleichen, die in den Mauern dieser Fakultät zu Hause ist.

Dennoch war es bezeichnend, dass diese akademische Veranstaltung genau hier im prestigeträchtigen Kaiser-Leopold-Saal stattfand, mit etwa 100 Teilnehmenden in Präsenz und bis zu 150 online Zugeschalteten in ganz Europa und bis nach Lima in Peru.

„Alle Blumen beachten" ist der Anfang eines charakteristischen Textes von Chiara Lubich. Es handelt sich um eine Passage in einer poetischen, nicht leicht verständlichen Sprache, die im Sommer 1949, inmitten einer Erfahrung, die man nur als mystisch bezeichnen kann, geschrieben wurde.

In den vergangenen Jahren hat sich eine Gruppe von AkademikerInnen der Theologischen Fakultät Innsbruck, des Studienzentrums und des Zentrums für interreligiösen Dialog der Fokolar-Bewegung zusammen mit einer Gruppe muslimischer TheologInnen unterschiedlicher Herkunft mit dieser Passage beschäftigt, sie meditiert, studiert und reflektiert. Dieser Weg, der vor fast zehn Jahren begann, hat zur Studientagung in Innsbruck geführt. Sie bot auch die Gelegenheit zur Begegnung mit einem parallelen Strang des Dialogs einer marxistisch-katholischen Studiengruppe (Dr. Walter Baier, Dr. Cornelia Hildbrandt, Franz Kronreif und Luisa Sello), die seit geraumer Zeit über gemeinsame Themen im Bereich der Sozialethik nachdenkt und der Dimension einer weltweiten Geschwisterlichkeit verbunden ist.

Auf eine theologische Hinführung zur titelgebenden Passage - ein wahrhaft meisterhafter Beitrag des evangelischen Theologen Stefan Tobler - folgten Reflexionen von Margareta Gruber OSF, Petra Steinmaier-Pösl, Roman Siebenroch, Wolfgang Palaver (um nur einige zu nennen). In den Gesprächsrunden wurden Erfahrungen intellektueller und spiritueller Gemeinschaft sichtbar, die diese Studiengruppe seit Jahren leben.

 

Darüber hinaus bot die Anwesenheit von Katholiken, Reformierten, Marxisten und Muslimen einen bemerkenswerten Querschnitt von Denkschulen, akademischen, aber auch kulturellen und religiösen Sensibilitäten, was in der heutigen Welt der starken Polarisierungen selbst bei kulturellen Veranstaltungen und im Hochschulbereich nicht leicht zu finden ist. Am Ende hatten die Teilnehmenden, Organisatoren und RednerInnen eine Erfahrung gemacht, die von Lubichs Text geprägt war.



Durchaus als Ergänzung der Thematik erwies sich eine kulturell-musikalisch-meditative Veranstaltung am Abend des zweiten Tages in der Jesuitenkirche Innsbruck, konzipiert von Judith Hamberger mit Texten von Rainer Maria Rilke, Chiara Lubich, Madeleine Delbrêl, Karl Rahner, Papst Franziskus, Pablo Picasso u.a. Untermalt wurden die tiefen und berührenden Texte vom  Resonanzquartett Linz mit Musik von alten und neuen Meistern.

Der gesamte Fundus von Überlegungen, Erfahrungen und Erkenntnissen, die an der Innsbrucker Tagung aufschien, dient nun in der Fortsetzung des Projekts als Hintergrundmaterial für eine weitere kreative Phase und zeigt, wie Geschwisterlichkeit auch in diesen Bereichen gelebt werden kann. Dabei können neue Denk- und Handlungskategorien entstehen und reifen, die in den verschiedenen Disziplinen jene Geschwisterlichkeit zum Ausdruck bringen, die das typische Merkmal des Charismas von Chiara Lubich und der Botschaft von Papst Franziskus ist.

Stimmen aus dem Chat:

Herzlichen Dank, dass es möglich war, diese Tagung online mitzuerleben. (...) Es ist sehr, sehr bereichernd und gibt mir, die ich eher im innerkirchlichen Dialog zu Hause bin, eine neue Weite und Sicht auf die Einheit... und Hoffnung!!!

(...) Es war ungemein spannend, die Mystik Chiaras, und damit meine eigene spirituelle und auch existenzielle Grandlage, hineinzuhalten in einen externen Resonanzraum. (...) Herzlichen Dank an allen, die das ermöglicht haben.
 

Fotos: Nico Tros, Armin Inglin, Textbearbeitung: Gusti Oggenfuss. Auszugsweise entnommen aus dem Blog von Roberto Catalano:
https://whydontwedialogue.blogspot.com/2021/09/guardare-tutti-i-fiori-cristiani.html