Monika Scheidler, Dresden
Seit Frühjahr 2016 habe ich eine Patenfamilie, die Ende 2015 aus dem kurdischen Teil des Irak nach Deutschland geflüchtet ist und jetzt in einer einfachen Wohnung in meinem Stadtteil untergekommen ist. Die Familie hat drei Kinder: einen 11jährigen Jungen, ein 4jähriges Mädchen, das in Deutschland geboren ist und zweisprachig aufwächst, sowie die 9jährige Lara, die gehörlos ist und eine Förderschule besucht, wo sie bisher in einer Klasse mit geistig-mehrfachbehinderten Hörgeschädigten lernt, weil sie bei ihrer Einschulung weder Gebärdensprache konnte noch gut mit Hörtechnik versorgt war.
Als der Asylantrag der Familie im Frühjahr 2017 mit der Zuerkennung von „subsidiärem Schutz“ endlich entschieden war, konnte ich Laras Eltern helfen, beim Sozialamt einen Antrag auf Gebärdensprachunterricht für Lara und die Eltern beim Sozialamt zu stellen, der bewilligt wurde. Lara und ihre Eltern lernen seit gut zwei Jahren zweimal wöchentlich nachmittags Deutsche Gebärdensprache. In der Schule ist Lara bisher mit dem Schwerpunkt „geistige Entwicklung“ jedoch nur bedingt gefördert worden, so dass sie auch als mittlerweile Viertklässlerin nur einzelne Worte lesen und verstehen kann, indem sie das jeweilige Wort mit dem entsprechenden Gegenstand oder einer Gebärde verbindet.
Nachdem ein Intelligenztext, der am Uniklinikum gemacht werden konnte, ergeben hat, dass Laras IQ im Normalbereich liegt, habe ich ihren Eltern im November 2019 geholfen einen Antrag auf inklusive Beschulung zu stellen in Klasse 2 Grundschule des Förderzentrums. In dieser Klasse wird (im Unterschied zu Laras Klasse im Schulteil für geistig-mehrfach behinderte Hörgeschädigte) die normale Deutsche Gebärdensprache zur Verständigung genutzt. Anfang März 2020 wurde dieser Antrag insofern bewilligt, dass Lara vorerst für 12 Wochen zur Probe in der 2. Klasse der Grundschule mitlernen darf. Eigentlich sollte Laras Probebeschulung am 23.3.2020 starten, so dass noch vor den Sommerferien hätte entschieden werden können, ob sie nach den Sommerferien als Drittklässlerin mit neuem Förderschwerpunkt auf „Lernen“ weiter in diese Klasse gehen darf – in der Hoffnung, dass sie dann vielleicht noch richtig Lesen lernt.
Durch die coronabedingte Schulschließung ist jetzt seit 18.3.2020 kein Schulbesuch möglich, so dass die Konkretisierung der Probebeschulung erneut in der Luft hängt. Ein Lichtblick tat sich auf, als die vom Sozialamt finanzierte Gebärdensprachdozentin sagte, sie könne den Gebärdenunterricht mit Lara auf Entfernung über Skype fortsetzen. Da Laras Familie keinen Laptop hatte, kam mir der Gedanke, einen älteren Laptop, den ich nicht mehr brauchte, für Lara und ihre Familie herrichten zu lassen. Gesagt - getan.
Lara hat jetzt jeden Vormittag eine Stunde Gebärdensprachunterricht über Skype und nötigenfalls zusätzlich mit Video-Telefon über Whatsapp. Das gibt ihrem Tag Struktur und sie kann wenigstens einmal täglich ausführlich mit einer ihr vertrauten Person außerhalb der Familie sprechen. Lara macht weiterhin gut Fortschritte in Deutscher Gebärdensprache und die Dozentin macht mit ihr auch die Deutschaufgaben, die Lara von ihrer bisherigen Klassenlehrerin bekommt.
Jetzt bleibt zu hoffen, dass Laras Probebeschulung in der Grundschulklasse nach Wieder-Aufnahme des Schulbetriebs gut läuft und dieses normal begabte gehörlose Mädchen dann vielleicht doch Perspektiven für sein Leben als Erwachsene entwickeln kann, die über die Möglichkeiten der Beschäftigung in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen hinaus gehen.
Wenn die Kirche insbesondere unter Corona-Bedingungen wie ein „Feldlazarett“ sein sollte, dann meint Papst Franziskus damit wohl, dass Christ*innen, christliche Gemeinschaften und die Kirche(n) über ihre Grenzen hinaus gehen und denen helfen sollen, die physisch, psychisch, sozial und geistlich am meisten verwundbar sind und verwundet werden. Wenn ich als Christin wie eine Lazarett-Helferin sein möchte, bedeutet das auch und gerade gesundheitliche, soziale sowie pädagogische bzw. diakonische / caritative Dienste zu leisten – auch ehrenamtlich und im besten Sinn des Wortes freiwillig. Dazu braucht es dann Bereitschaften und Fähigkeiten zur Diagnostik, zur Prävention und zur Rehabilitation. In diesem Sinne versuche ich Lara und ihre Familie zu unterstützen, weil Laras Eltern in Deutschland (allein auf sich gestellt) zum Wohl ihrer Tochter nur wenig könnten.